Impact Investing — Politische Empfehlungen für das Wahljahr 2021

Felix Oldenburg
5 min readJan 24, 2021

(Das folgende Papier habe ich als politischer Sprecher der Bundesinitiative Impact Investing (#impinvDE) geschrieben. Es wird und soll sich dynamisch weiter entwickeln und wird demnächst auch auf der Webseite der Bundesinitiative zu finden sein.)

Ob zur Bewältigung des Klimawandels und der Energiewende, der Schaffung bezahlbaren Wohnraums, der Unterstützung gleicher Bildungschancen, einer gerechten globalen Entwicklung oder eines nachhaltigen und inklusiven Aufschwungs nach der Corona-Krise — diese und andere Herausforderungen von der Ebene der Sustainable Development Goals bis zu lokalen Strategien sind nur zu bewältigen, wenn es gelingt, ein Ökosystem für die Finanzierung von Lösungen zu entwickeln — statt eines Finanzsystems, das in eine andere Richtung zieht. Dafür ist die Zeit reif, denn es gibt heute von innovativen Sozialunternehmen bis zu einer transformationsbereiten Industrie, von Pionieren sozialer Wagniskapitals bis zu interessierten institutionellen Anlegern die Vorbedingungen für den breiten Durchbruch wirkungsorientierten Investierens.

Der Bundespolitik kommt eine entscheidende Rolle darin zu, bestehende Barrieren abzubauen und ein Ökosystem für wirkungsorientiertes Investieren aktiv zu gestalten, das wirkungsorientiertes Kapital und Unterstützung aus unterschiedlichsten Quellen mobilisiert und effizient für positive Wirkung einsetzen kann. Wie das gelingen kann, haben Regierungen in vielen OECD Ländern in den letzten Jahren gezeigt.

Deutschland darf diesem globalen Trend nicht weiter hinterher hinken. Der nächsten Bundesregierung kann es gelingen, mit starken Signalen und konkreten Maßnahmen die verlorene Zeit aufzuholen, das einzigartige Gelegenheitsfenster zu nutzen und zu einem Vorreiter für ein innovatives und nachhaltiges Wirtschaften und Investieren zu werden, das Problemlösungen schneller skaliert als zu Problemen beizutragen.

STRATEGIE UND KOORDINATION

Abgestimmt mit einer nationalen Strategie für soziale Innovationen sollte die nächste Bundesregierung im sektor-übergreifenden Dialog eine Roadmap für die Entwicklung eines Ökosystems für wirkungsorientierte Investitionen für die nächsten zehn Jahre erarbeiten und umsetzen.

Dazu empfehlen wir die Berücksichtigung internationaler Erfahrungen, Empfehlungen und Instrumente durch die OECD und der Europäisichen Kommission als auch der bundeseigenen KfW Bankengruppe im In- und Ausland.

Um eine übergreifende Verantwortung zu gewährleisten, ist eine ressortübergreifende Koordination für soziale Innovationen und gesellschaftliche Investitionen innerhalb der Bundesregierung auf StS-Ebene erforderlich.

Abbildung: Handlungsfelder einer Roadmap

1. FRÜHPHASENFÖRDERUNG
Die Geschäftsmodelle von morgen an den Start bringen

Deutschland ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelungen, aus einem gemeinsamen Narrativ als “Land der Ideen” ein deutlich besserer Standort für Gründerinnen und Gründer zu werden. Im vergangenen Jahrzehnt ist mit gemeinsamer Anstrengung ein chancenreiches Umfeld für Digitalunternehmen geschaffen worden. Innerhalb des nächsten Jahrzehnts muss es gelingen, zu einem “Land der sozialen Innovationen” zu werden, das eine nächste Generation von Wachstumsgeschichten prägt. Für einen großen Teil der Gründerinnen und Gründer spielt die gesellschaftliche Wirkungsabsicht schon heute eine wichtige Rolle — nicht aber für ihr Finanzierungsumfeld. Deshalb ist eine systematische Frühphasen-Förderung für innovative Geschäftsmodelle erforderlich, die soziale und ökologische Herausforderungen lösen, bis sie reif für Anschlussfinanzierungen werden.

Analog dem EXIST-Gründerstipendium empfehlen wir den Aufbau eines zielgruppenspezifischen Förderprogramms für die Frühphase von Sozialunternehmen. Neben den Lebenshaltungskosten des Gründerteams sollten die nötigen Investitionen für die Entwicklung von Prototypen sichergestellt werden. Öffentliche Beschaffungsregeln und Förderprogramme sollten daraufhin überprüft werden, dass sie innovative Lösungsmodelle nicht benachteiligen, sondern gegenüber etablierten Lösungen mindestens mit gleichen Erfolgschancen ausstatten.

Für die Markteintrittsphase spielt auch die Öffnung relevanter Programme bei den Landesförderbanken eine wichtige Rolle. Zudem sollte analog mehrerer Landesförderbanken ein entsprechendes Kofinanzierungsinstrument für Crowdfunding bei der KfW mit einer Kofinanzierung bis zu 100.000 Euro geschaffen werden.

2. ÖFFENTLICHE INVESTITIONEN
Soziales und ökologisches Wagniskapital mobilisieren

Soziale und ökologische Lösungsmodelle brauchen Finanzierungen jenseits von Spenden und Förderungen einerseits und jenseits von bestehenden (VC-) Marktfinanzierungen andererseits. Um entsprechend motiviertes privates Kapital zu mobilisieren, braucht es einen sichtbaren Einstieg der Bundesregierung in den Aufbau eines Impact Investing Ökosystems.

Aufbauend auf den Erfahrungen in der Startup-Finanzierung sollte die Bundesregierung (1) nach dem Vorbild des Hightech-Gründerfonds einen Sozialen und ökologischen Gründerfonds und/oder (2) über die KfW-Capital Ankerinvestitionen in Impact Investing Fonds bereitstellen und/oder (3) weitgehende Ausfallgarantien für selbige übernehmen, um auch institutionellen Anlegern z.B. aus dem gemeinnützigen Bereich den Einstieg zu ermöglichen.

Diese Investitionen müssen nicht allein aus dem Bundeshaushalt kommen. Eine Nutzung von “nachrichtenlosen Vermögenswerten” nach dem Vorbild von Big Society Capital aus Großbritannien könnte Mittel beitragen. Die nächste Bundesregierung prüft auch die Machbarkeit einer direkten Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern als Ko-Investoren in einem “Deutschlandfonds”, der die o.g. Maßnahmen ermöglicht.

3. GEDULDIGES KAPITAL
Langfristig orientiertes Wirtschaften ermöglichen

Für langfristiges und an positiver gesellschaftlicher Wirkung orientiertes Wirtschaften etwa im Journalismus, in der Landwirtschaft oder im Wohnungsbau ist geduldiges Kapital mit einer begrenzten Renditeerwartung unabdingbar. Die nächste Bundesregierung setzt sich zum Ziel, das Angebot an geduldigem Kapital systematisch zu verbessern, sowohl durch Unterstützung bestehender Akteure als auch durch die Identifikation von Hürden und das Prüfen zusätzlicher Anreize für neue Investorengruppen.

Eine besondere Rolle können dabei Vermögen im Kapitalstock gemeinnütziger Stiftungen spielen, die in der andauernden Niedrigzinsphase zu geringe Erträge für eine sinnvolle Zweckverwirklichung erwirtschaften. Die Bundesregierung sollte die Vermögensanlage sowohl im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht als auch in der Aufsichtspraxis flexibilisieren und Anreize schaffen, das Potenzial dieser und anderer gemeinnütziger Anleger für geduldige und wirkungsorientierte Investitionen zu aktivieren. Staatliche Stiftungen sollten hier mit ihrer Vermögensverwaltung Vorreiter sein.

4. WIRKUNGSORIENTIERTE FINANZMÄRKTE
Berichtspflichten erweitern und Transparenz für Investoren schaffen

Nicht nur neu gegründete oder wachsende Sozialunternehmen benötigen wirkungsorientierte Finanzierungen, sondern auch etablierte Unternehmen, wenn sie ihr Geschäftsmodell im Einklang mit den Herausforderungen unserer Zeit weiterentwickeln wollen und dafür etwa Transformationskapital benötigen. Eine Vorbedingung hierfür ist die Erweiterung der Berichtspflicht entlang etablierter und sich entwickelnder internationaler Vorbilder für Unternehmen hinsichtlich gesellschaftlicher und ökologischer Wirkung, als Vorbedingung für zukünftige Anreizsetzung sowie Aufnahme in privilegierte Investitionsvehikel. Damit schafft die Bundesregierung auch die Voraussetzung für ein Engagement wichtiger institutioneller Anleger wie etwa Versicherungen und Pensionskassen.

Aufbauend auf einer schrittweisen Entwicklung der Transparenz auf der Unternehmensseite entwickelt die Bundesregierung eine Systematik zunehmender Anforderungen an institutionelle Investoren, sich schrittweise in Richtung Finanzierung der SDGs und anderer positiver gesellschaftlicher Wirkung zu bewegen.

5. GLOBALE TRANSFORMATION
Märkte für die SDG-Erreichung befördern

Eine Transformation der Finanzierungen in Richtung sozialer und ökologischer Problemlösung kann nicht gelingen, wenn sie nur auf Deutschland beschränkt bleibt. Die Bundesregierung überprüft ihre Außenhandelsförderung und wirtschaftliche Zusammenarbeit darauf, wo sie aktive Beiträge liefern kann. Dazu gehören auch die Förderung von investitionsreifen Zielunternehmen in der Entwicklungsfinanzierung, der Aufbau geeigneter Intermediärsstrukturen, die Übernahme von entwicklungsspezifischen Risiken durch Garantien sowie die Entwicklung von Outcome-orientierten Finanzierungsinstrumenten.

(Die Bundesinitiative Impact Investing ist das Netzwerk von Investor*innen, Sozialunternehmer*innen, Intermediär*innen und Expert*innenen rund um Finanzierungen, die den Aufbau des Impact-Investing-Ökosystems in Deutschland voran treiben und damit zusätzliches Kapital zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen mobilisieren.)

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Felix Oldenburg

Co-founder bcause, board gut.org, previously CEO @stiftungstweet, father, author, geek, social entrepreneur, long time with @Ashoka